Ich bin aber gerade zum Jahreswechsel vorsichtig, um nicht falsche Hoffnungen zu wecken. Das abgelaufene Jahr hat nämlich gezeigt, dass man in einer Pandemie keine Garantien abgeben kann. Wir sind mit voller Zuversicht ins letzte Jahr gestartet. Wir waren überzeugt, dass mit der Impfung das Ärgste vorbei sein wird. Wir haben uns gemeinsam durch einen harten Winter gekämpft. Im Sommer hat es dann sehr gut ausgeschaut. Das soziale Leben hat voll an Fahrt aufgenommen. Bis uns im Herbst das Virus wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hat: Geringe Impfquote, verkürzter Impfschutz, explodierende Infektionszahlen, die Spitäler am Anschlag.
Um das Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu schützen, mussten wir erneut harte Maßnahmen setzen. Und ich weiß, dass das für viele enttäuschend und frustrierend war.
Die Politik macht sich solche Entscheidungen nicht leicht. Es gibt schönere Aufgaben, als den freiheitsliebenden Tirolerinnen und Tirolern zu sagen, was sie alles nicht tun dürfen und worauf sie verzichten müssen. Aber die Umstände machen ein maßvolles Abwägen notwendig: Ein Abwägen, wie viele persönliche Einschränkungen wir auf der einen Seite in Kauf nehmen müssen, um das Gesundheitssystem zu schützen. Und andererseits, wie viele Freiheiten können wir zulassen, damit Gesellschaft, Bildung und Wirtschaft nicht komplett zum Erliegen kommen?
Eines ist mir besonders wichtig: Wenn schon das Virus völlig unberechenbar ist, dann sollen sich die Menschen jedenfalls auf die politischen Verantwortungsträger verlassen können. Diese Verlässlichkeit ist wichtig und mir ist bewusst, dass sie in der Vergangenheit mehrfach auf die Probe gestellt wurde. Rasche Entscheidungswechsel haben zu einer großen Verunsicherung bei den Menschen geführt. Auch wenn uns die Pandemie gelehrt hat, dass langfristige Prognosen aufgrund des dynamischen Infektionsgeschehens nicht möglich sind, ist es die Aufgabe der Politik, für ein möglichst großes Maß an Berechenbarkeit zu sorgen. Die Politik hat die Letztentscheidung zu treffen. Und als Landeshauptmann sehe ich es als meine Verantwortung, für das Land und seine Menschen da zu sein. Jeden Tag, in guten wie auch in schweren Zeiten.
Und die Zeiten sind nicht leicht. Einschränkungen, Ängste, Sorgen, psychische Belastungen – das alles macht den Menschen zu schaffen. Aber wir müssen gemeinsam gegen das Virus kämpfen und nicht die Menschen gegeneinander ausspielen. Ich bitte Sie daher: Lassen wir den Hass und die Wut zurück. Achten wir darauf, was wir sagen und wie wir es sagen. Zeigen wir nicht mit dem Finger auf den anderen, sondern reichen wir einander die ausgestreckte Hand. Schauen wir aufeinander. Wie wir das in Tirol immer getan haben, ganz besonders in schwierigen Zeiten. Wir sind eine Gemeinschaft, wir sind ein Tirol.
Und noch ein Wort zur Meinungsfreiheit: Sie ist ein elementares Grundrecht unserer offenen, demokratischen Gesellschaft. Wenn aber unterschiedliche Positionen so festgefahren sind, dass es zu verbalen und tätlichen Attacken kommt, dann heißt es einen Gang zurück zu schalten – bei den Worten wie auch bei den Taten. Dann ist es höchst an der Zeit, dass wir Hindernisse ab- und Brücken aufbauen.
Liebe Tirolerinnen und Tiroler,
vieles ist zu Beginn dieses neuen Jahres ungewiss, die Lage noch sehr angespannt. Aber wie bereits erwähnt, lasse ich mir meinen Optimismus nicht nehmen. Wir haben gemeinsam viele Krisen gemeistert. Ich kenne die Tiroler Mentalität und vertraue auf die Menschen in diesem Land. Tirol hat schon oft genug Steherqualitäten bewiesen. Diese Eigenschaft wird uns auch Corona nicht nehmen.
Diese Pandemie darf uns nicht den Blick darauf verstellen, in welch tollem Land wir leben. Und wenn wir aufmerksam zurückschauen, dann sehen wir auch, wieviel Positives und Gutes in so einem Jahr passiert.
Denken wir nur daran, wie rasant sich die Wirtschaft im vergangenen Jahr erholt und wie schnell sich die Lage am Arbeitsmarkt entspannt hat. Wir reden hier von einer Beschäftigung auf Rekordniveau. Das zeigt, was unsere tüchtigen Tiroler Unternehmerinnen und Unternehmer gemeinsam mit den fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu leisten imstande sind. Oder denken wir an die unzähligen Tirolerinnen und Tiroler, die seit dem Beginn der Pandemie über sich hinausgewachsen sind. Und denken wir auch an all jene Menschen, die jeden Tag alles geben, um dieser Krise die Stirn zu bieten.
Aber schauen wir nicht nur zurück, sondern vor allem nach vorne. Ich versichere Ihnen: Auch wenn die Pandemie viele Kräfte bindet – wir verlieren die Zukunft nicht aus den Augen.
Neben der Bewältigung der Pandemie warten im Jahr 2022 eine Reihe von Aufgaben auf uns. Besonders das Zukunftsthema Klimaschutz wird im neuen Jahr und darüber hinaus einen besonderen Stellenwert einnehmen. Wir investieren zudem kräftig in den Wirtschaftsstandort, um Arbeit und Wohlstand zu sichern. Wir treiben den technologischen Fortschritt und die Digitalisierung massiv voran und wir kämpfen auch weiterhin darum, die Dauerbrenner Wohnen, Verkehr und Pflege zu entschärfen.
Für all diese Vorhaben sind stabile Finanzen ganz entscheidend. Darauf haben wir in Tirol immer geschaut. Das kommt uns jetzt zugute. Mit unserem soliden Doppelbudget für die kommenden zwei Jahre können wir der Krise gegensteuern und trotz Pandemie den nächsten Generationen – unseren Kindern und Enkelkindern – gute Chancen sichern.
Liebe Tirolerinnen und Tiroler,
ich muss zugeben, dass die Verunsicherung im Land pandemiebedingt groß ist und man nicht mit Gewissheit sagen kann, wann bessere Tagen kommen werden. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Diese Tage werden kommen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen von Herzen Gesundheit, Zuversicht und den Glauben daran, dass das neue Jahr auch viel Gutes und viele schöne Momente für uns bereithalten wird.